Mittwoch, 2. März 2011

Kulturratgeber Ghana

Diesen Blog-Eintrag möchte ich mit einem Zitat aus dem Buch „Interkulturelle Kompetenz – For a Better Understanding. Schlüsselfaktoren für internationale Zusammenarbeit“ von Beatrice Hecht-El Minshawi beginnen:

„Dieses Volk ist sach-, ziel- und wenig personenorientiert. Sie gehören zur Gruppe der „low context culture“ (Hall). Ihr Bedürfnis nach Machtdistanz (Hofstede) ist nicht stark, doch sie vermeiden verunsichert zu werden. Sie sind als sehr individualistisch und als wenig feminin einzuordnen. (...) Wie alle Industrienationen versucht auch dieses Volk die Natur zu beherrschen. Lewis beschreibt sie als linear-aktiv und Gesteland als abschlussorientiert, beschränkt formell, monochrom und reserviert.“

Das Volk, von dem die Rede ist, ist Deutschland. Wir Deutschen sind also linear-aktiv, abschlussorientiert, beschränkt formell, monochrom und reserviert und zwar alle, ausnahmslos. Interessant.
Selbstverständlich sollte man dieser Pauschalisierung widersprechen. Nicht alle Deutschen sind reserviert und es soll auch in Deutschland Mitmenschen geben, die personenorientiert sind.
Bedeutet „wenig personenorientiert“, dass ich nicht freundlich sein soll, und „wenig feminin“, dass ich mit unsensiblen Verhalten Punkten kann? Wohl kaum.
Für was braucht man einen solchen Kulturführer? Klar soll er durch das Lesen Kenntnisse vom Gastland vermitteln und damit für mehr Sicherheit im Verhalten sorgen. Letzten Endes – und davon bin ich überzeugt - sorgt er für mehr Unsicherheit.

In der Überschrift habe ich euch einen Kultur-Ratgeber für Ghana versprochen. Anders als das oben zitierte Buch mag ich nicht mit Vorurteilen und Pauschalisierungen um mich werfen.

Nach sechs Monaten in Ghana sehe ich Ajumako als kleine Heimat an. Anfangs wurde ich mit Obroni (weißer Mann) angesprochen, danach als Kwesi (mein ghanaischer Name = Sonntagskind) und mittlerweile mit Torben. Die meisten Menschen kennen mich, ich habe Freunde gefunden, meine Arbeit in den Schulen macht mir Spaß. Ich habe mich an das ghanaische Leben angepasst und fühle mich sehr wohl hier. Und das alles habe ich ohne Kulturführer geschafft.

„Es gibt Gemeinsamkeiten im Verhalten von Menschen, aber es gibt noch mehr Unterschiede“, schreibt der Kulturführer. Dem widerspreche ich auch wieder. Denn die vielen Gemeinsamkeiten lassen die kleinen kulturellen Unterschiede mickrig erscheinen. Anders wäre es ja nicht möglich, dass ich mich in so einer kurzen Zeit so gut eingelebt habe.

Wie habe ich das gemacht? Was ist mein Geheimnis?

Meine These ist, dass es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Es gibt Werte und Verhaltensweisen, die in Deutschland diesselbe Anerkennung erfahren wie in Ghana (und vielleicht auf der ganzen Welt).

Die Rede ist von Toleranz, Respekt, Offenheit, aber vor allem von Freundlichkeit. Ich grüße Bekannte auf der Straße, in der Stadt, unterhalte mich hier und da mit den Menschen, stelle viele Fragen.
Es kann so einfach sein.

Dann bekomme ich aus heiterem Himmel Orangen geschenkt. Die Mutter einer Schülerin bedankt sich bei mir mit einer Ananas für meine Arbeit in der Schule und meine Freundlichkeit. Unsere Ananasverkäuferin packt mir kostenlos eine halbe Ananas ein, weil ich ihr in Fante erzähle, dass ich an dem Abend wegfahre. Von den LehrerInnen in der Schule bekomme ich viel Lob für mein Verhalten und mir wird die enorme Ehre zuteil von meiner Mitbewohnerin zu ihrer tradtionellen Hochzeit eingeladen zu werden. Wow!

Die Rastas haben schon recht, wenn sie sagen: It is nice to be nice. (Es ist nett, nett zu sein.)