Dienstag, 15. Februar 2011

Über das Bildungssystem

Die Politik in Ghana wirbt mit „kostenloser“ Bildung. Das behauptet auch Deutschland und trotzdem weiß jeder: Stimmt nicht so ganz.

Es gibt in Ghana, vor allem in der Central Region, unzählige Schulen. Fast jedes kleine Dorf verfügt über eine eigene. In Deutschland werden Bildungsstätten aufgrund geringer Schülerzahl geschlossen, hier neu gebaut. So ist das.
Der Staat spendiert kostenlose Bücher und bezahlt die Lehrkräfte. Doch wieso ist Schule denn dann nicht komplett kostenlos?

Fangen wir bei der Ausbildung der LehrerInnen an. In Deutschland muss man, um LehrerIn zu werden, auf die Universität gehen. Solche Lehrerschmieden gibt es zwar auch in Ghana, aber durch starke Lehrkörperknappheit gibt es auch schnellere Alternativen den Lehrerberuf zu ergreifen. Der schnellste Weg führt nach der Senior Highschool (zwischen Realschulabschluss und (Fach-)Abitur) über ein zweiwöchiges Seminar. Nach einem solchen Crash-Kurs ohne pädagogische Ausbildung werden die „LehrerInnen“ auf SchülerInnen losgelassen. Diesen Personen mangelt es meist nicht nur an Kompetenz, sondern auch an Motivation, denn das Gehalt für einen solch „ausgebildeten“ Lehrer ist sehr gering. Zusätzlich kennt er keine anderen Wege sich Autorität zu verschaffen, als mit dem Schlagstock.

Und dann wird der Schlagstock wütend geschwungen, Kinder verprügelt als Ausgleich zur fehlenden Ausbildung und als Ohnmachtszeichen eines frustrierenden Berufes.

Als Deutsche(r), der andere pädagogische Mittel kennen lernen durfte, kann man nur den Kopf schütteln. Als Freiwillige(r) hat man jedoch auch keine pädagogische Ausbildung und so habe ich traurigerweise mitbekommen, wie ein paar Freiwillige Bestrafungsmethoden nutzen, die man in Deutschland nicht mehr gebrauchen würde.

Aber es geht auch anders. Die schlecht ausgebildeten LehrerInnen sind an jeder Schule in der Minderheit. Und die richtigen LehrerInnen haben wirklich was auf dem Kasten, wenn auch hier wieder gilt: Es gibt gute und es gibt einfach schlechte LehrerInnen.

Ghana ist auf einem guten Weg, die Ausbildung wird immer besser und das merkt man auch an den Schulen. Der Schlagstock wird bei weitem nicht mehr so oft eingesetzt wie früher. Gut so.

Es ging darum, dass Bildung nicht kostenlos sei. Da das Gehalt selbst von den ausgebildeten LehrerInnen nicht beträchtlich ist, sammeln sie hier und da Geld und Gegenstände von den Schülern/Schülerinnen ein. Die SchülerInnen müssen für die Nachmittagsstunde bezahlen, Schwämme, Körbe, Besen in die Schule mitbringen. Das ist im Endeffekt alles Geld. Und zudem (und das ist kein Scherz) fehlt der Schüler/ die Schülerin als Arbeitskraft zuhause. So kann es passieren, dass an Markttagen die Klassenräume leerer sind als sonst.

Das ist vor allem in den kleinen Dorfschulen der Fall. Da ich in vier Schulen unterrichte (in zwei Dorfschulen und in zwei Schulen in der Kreishauptstadt Ajumako) kann ich feststellen, dass es zwischen den Dorf- und den Stadtschulen riesige Unterschiede gibt. Die Kinder in Ajumako sind einfach schlauer und sprechen besseres Englisch.

Wieso ist das so? Ein Grund können die LehrerInnen sein, die in Ajumako besser zu sein scheinen. Einen anderen Grund finde ich viel wichtiger: Die Menschen (vor allem Eltern) in Ajumako legen mehr Wert auf Bildung und schicken ihre Kinder nicht auf den Markt, sondern in die Schule. Bildung wird in der Familie ernster genommen, man interessiert sich für die Schule des Kindes und weiß genau: Education is the key.

Heute in der Mittagspause habe ich ein Gespräch mit einem Lehrer der Gesdi-Schule in Ajumako geführt. Die Klassenräume dort umfassen bis zu 90 Kindern, die ganze Schule erstrahlt in keinem neuen Glanz und verfügt über schlechte Sanitäranlagen. Trotzdem zählt Gesdi zu den besten Schulen im ganzen „Bundesland“. Auf meine Frage nach dem „Warum ist das so?“ antwortete er, dass hinter den SchülerInnen auch die Eltern stehen und oft zuhause gemeinsam gelernt werde.

Da haben wir es: Kinder, die von ihren Eltern in der Schule unterstützt werden, gehen auf bessere Schulen, sind schlauer und bringen es im Endeffekt weiter. So ist das auch in Deutschland: Gleiche, kostenlose Bildung für jeden ist nicht drin.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Krasser Vorfall öffnet Augen

Als ich mit dem KidsClub in der Schule in dem kleinen Dorf Abowinum fertig war, kaufte ich mir am Straßenrand ein Wasser, unterhielt mich mit der Verkäuferin, die auch Voluntärin bei HFFG ist und stellte mich an die Straße und wartete auf ein Verkehrsmittel nach Ajumako.
Aus 200 Meter Entfernung kam ein Mann in meine Richtung gelaufen. Er lief alleine und hat laut auf Fante gesprochen, das ich nicht verstand, aber merkte, dass es an mich gerichtet war. Er kam immer näher auf mich zu, war sehr aggressiv und nicht normal (hatte also Alkohol oder sonstige Drogen konsumiert). Sein Ziel bestand darin, mich anzupöbeln und wohl auch zu verletzen. Von letzterem wurde er zum Glück abgehalten.
Die Voluntärin hat sehr schnell die Situation erkannt und wie wild auf den Mann eingeredet. In der Zeit hat mich ein anderer Mann aus Abowinum zu sich gerufen und sich mit einem Messer zur Abwehr neben mich gestellt. Daraufhin ist der Mann weiter gezogen, die Situation war vorbei und ich mit Adrenalin voll gepumpt zwischen Verzweiflung, Einschüchterung und Dankbarkeit für die Zivilcourage.

Dieser negative Vorfall, diese krasse Erfahrung hat mir aber die Augen für die Freundlichkeit der Menschen in Ghana geöffnet. Ich bin als Europäer in Afrika, als Deutscher in Ghana, als Weißer unter Schwarzen, ich bin – wie man es in Deutschland gerne sagt – ein Ausländer und trotzdem werde ich überall freundlich behandelt und zum Teil bevorzugt.
Und nach fast sechs Monaten gelange ich zum ersten Mal in eine solche Situation. Ich glaube als Schwarze(r) in Deutschland hat man es bedeutend schwerer.

Heute kann ich über den Rassismus-Artikel, den ich auf den Blog vor ein paar Monaten geschrieben habe, teils lachen. Damals habe ich die Obroni-Rufe rassistisch eingestuft. Welch ein Schwachsinn! Hinter dem Wort Obroni verbirgt sich nichts negatives, vor allem wenn kleine Kinder mich so rufen, ist das zwar anstrengend, aber völlig in Ordnung.
Es ist wohl bedeutend unangenehmer für ein/e Schwarze/r, wenn er oder sie durch eine kleinere Ortschaft läuft und dort die oft auch negativen Blicke seines Umfeldes abbekommt. Genau das ist Rassismus und nicht das Obronirufen in Ghana.
In Deutschland vermisst man an vielen Stellen Zivilcourage und hier stellen sich die GhanaerInnen neben mich und beschützen mich. Das hat mich sehr beeindruckt.

In eine solche Situation bin ich bisher noch nicht geraten. Ich kann mich überall frei bewegen, brauche keine Angst zu haben. Da fühle ich mich manchmal selbst nachts in meiner Heimatstadt Gedern an manchen Ecken unsicherer.

Und dann stellen wir uns hin und behaupten altklug: Wir in Deutschland sind besser entwickelt als die Menschen in Ghana. Bei einer solchen Aussage kann es einem Übel werden. Es gibt so viel, was wir von den GhanaerInnen lernen können und wo wir unterentwickelt sind.
Wir könnten ja einfach anfangen, jeder rassistischen Anspielung, sei es auch nur einem Witz, etwas entgegen zu setzen. Das wäre ein Anfang, dass Immigranten, vor allem People of Color, nicht mehr ständig Opfer von Rassismus wären. Vielleicht brauchen sie dann auch irgendwann keine Angst mehr zu haben, nachts auf Nazis zu treffen.