Sonntag, 30. Januar 2011

Über das Gesundheitssystem

Ghana ist kurz nach meiner Ankunft von einem „low wage country“ zu einem „middle income country“ aufgestuft worden. Das bedeutet im weitesten Sinne, dass es in vielen Ländern auf der Welt mit der Gesundheitsversorgung nicht so gut steht wie in Ghana. Ich bin demnach froh, dass ich im Krankheitsfall in Ghana bin und in keinem anderen Land. Trotzdem wäre mir Deutschland oft lieber. Wieso? Lest weiter!

Malaria wird hier super behandelt, weil es
1. sehr gut getestet wird: In einem Labor entnimmt ein Angestellter mit sauberer Spritze und Nadel (die vor meinen Augen ausgepackt werden) Blut aus der Vene oder aus der Fingerspitze.
2. auch festgestellt wird, wenn man es gar nicht hat.

Malariaerreger hat man die meiste Zeit im Blut. Doch in kleiner Stückzahl kann der Körper sie auch selbst bekämpfen. In den Krankenhäusern bekommt man als Diagnose meistens MPS (+) aufgeschrieben. Man hat eine leichte Malaria.
Falls das Grund für sein Unwohlsein ist, scheint das alles kein Problem. Aber die Malariamedikamente und die Schmerzmittel, die man jedes Mal mitverschrieben bekommt, können nicht die Antwort auf jede Krankheit sein.

Die Struktur der Krankenhäuser ist in der Central Region, im südlichen Teil Ghanas, ausgesprochen gut. Es gibt in nahem Abstand sehr viele Krankenhäuser mit ausgebildeten Ärzten und/oder Ärtzinnen. Seit nicht allzu langer Zeit gibt es auch eine staatliche Krankenversicherung, die man für 15 Cedi (7,50 Euro) jährlich erwerben kann. Meiner Meinung nach können sich das die allermeisten GhanaerInnen auch leisten. Es gibt aber auch welche, die es sich nicht anschaffen wollen, die es versäumen oder einfach keine 15 Cedis auf der hohen Kante haben.
In kleinen Communities werden z.B. an Tuberkulose Erkrankte aus dem Dorf geschafft und so lange mit Nahrungsmittel versorgt, bis sie gestorben sind. Das ist zwar nicht schlecht, weil sich so die Krankheit nicht ausbreiten kann. Aber in Anbetracht unserer heutigen Möglichkeiten klingt das nach Mittelalter.
Manchmal werden Erkrankte auch nicht ins Krankenhaus gebracht, weil sie kein Geld haben. Die Person wird zuhause versorgt, bis sie stirbt. Dann aber werden mehrere hunderte Cedis für die Beerdigung ausgegeben oder die Cedis in die Kirchenkollekte geworfen. Die Prioritäten werden anders gesetzt: Lieber gibt man Geld für das Jenseits, als für das Diesseits aus.
Letzte Beispiele spielen sich aber vor allem im ländlichen Raum ab, vom Fetisch , der ab und zu noch praktiziert wird, einmal abgesehen. In Accra ist das Bild völlig anders. Hier gibt es Krankenhäuser, die mit besten Standards ausgerüstet sind. Auch private Krankenhäuser haben sich etabliert.

Private Krankenhäuser - das ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Lustigerweise besitzen manche Ärzte/Ärztinnen, die bei staatlichen Krankenhäusern angestellt sind, ein privates Krankenhaus. Da der Mensch auch in Ghana nicht zur gleichen Zeit an zwei Orten sein kann, besetzt der Arzt/ die Ärztin statt einer Vollstelle weniger als eine halbe Stelle im staatlichen Krankenhaus. Die riesigen Schlangen, die auf den Doktor warten werden dann von einem Assistenten behandelt. Der Assistent oder die Assistentin ist für diese Stelle völlig unterqualifiziert, trägt aber dieselbe Verantwortung wie ein Doktor. Das ist nicht nur Hörensagen, sondern mein eigenes Erlebnis.

Ich lebe – wenn man Ajumako mit Accra vergleichen will – auf dem Land. Die Krankenhäuser sind trotz ihrer Vielzahl überlaufen und die Ärzte (ein Arzt pro Krankenhaus) unterbesetzt. Da bleibt nicht viel Zeit für die Behandlung und man fühlt sich – noch schlimmer als in Deutschland – in einer Massenabfertigung, oft durch Assistenten mit unzureichender Qualifikation.
Da sind plötzlich Schmerzen im rechten Bauchraum ganz klar Zeichen für eine Malaria. Ohne einmal den Bauch abzutasten bekommt man Malariamittel und Schmerzmittel verschrieben. Auf eine Spritze wegen den Schmerzen in den Magen habe ich verzichtet. Stellt euch vor, welches Unheil dort angerichtet werden kann!

Entweder fehlt mir das Vertrauen oder den Ärzten mangelt es an einer guten Ausbildung. Auf jeden Fall fühle ich mich in Ajumako bei einer ernsten Krankheit, die eine leichte Malaria überschreitet, schlicht und ergreifend unsicher.

Dann fahre ich doch lieber nach Accra in ein Privatkrankenhaus. Ich habe – durch meine Versicherung aus Deutschland – die freie Wahl, wenn es um Arzt/Ärztin und Krankenhaus geht. Diejenigen, die viel Geld haben, besuchen private Krankenhäuser, weil die Behandlung dort schneller, besser und teurer ist. Und diejenigen, die nicht auf der Bright Side of Life leben, müssen sich mit dem Urteilsvermögen teils Unqualifizierter unterwerfen.

Ob das Geschriebene der objektiven Wirklichkeit entspricht, würde ich infrage stellen. In meinem Umfeld geht es den Menschen „gut“, sodass sie sich eine ärztliche Behandlung leisten sollten. Von anderen Freiwilligen, die in einem Slum in Accra arbeiten, hört man anderes. Ich muss noch viel sehen und erfahren, um mein Bild von Ghana zu konkretisieren.

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